Die rätischen Häuser


Das rätische Haus

Den Begriff "rätisches Haus" hat Renato Perini 1967 als terminus tecnicus in die wissenschaftliche Literatur eingeführt, während andere Autor/innen wegen der divergierenden Ausführung dieser Gebäude im erfassten rätischen Raum nach wie vor von einem "eisenzeitlichen alpinen Haustyp" sprechen wollen.

Eine topographische Eingrenzung sieht Häuser dieses Typs zwischen dem nördlich gelegenen gebirgigen Bereich des Veneto hin zu Trentino-Südtirol, vom Inntal bis in den Schweizer Raum, während der chronologische Bogen sich vom fünften vorchristlichen Jahrhundert bis zur Romanisierung erstreckt.

Die Häuser dieses Typs stehen auf lichter Höhe, auf oft künstlich angelegten Terrassen oder Kuppen. Sie zeigen als Charakteristikum in der Regel einen abgesenkten Innenraum; die Unterkellerung ist aus dem Lehm- oder Schotterboden herausgearbeitet oder sogar aus dem felsigen Untergrund geschlagen. Auf dem Peterbühl zeigt sich Haus A nur geringfügig eingetieft, Haus S um immerhin 50 cm, genauso wie Haus E, während der Keller von Haus R bis in eine Tiefe von 1,8 m reicht. Haus Q ist direkt auf den felsigen Untergrund aufgesetzt und nur geringfügig eingetieft.

Die inneren, dem Wohnbereich zugewandten Seiten der Trockenmauern waren im rätischen Haus zumeist mit Lehm verputzt, nachgewiesen in Haus S und Haus R. Der Zugang führt bei eingetieften Häusern notwendigerweise über Stufen, und der Zugangskorridor knickt nicht selten in einem rechten Winkel ab. Das wirft die Frage auf, ob es sich dabei um ein Konstruktionselement aus wehrtechnischen Überlegungen handelte, ob dieser verwinkelte Zugang eine Art Windfang oder Wetterschutz darstellte, - oder ob damit vielleicht übelwollenden Geistern der Zutritt erschwert werden sollte. Auf dem Peterbühl weist allerdings lediglich das Gebäude R einen kurzen abgewinkelten Gang auf mit wahrscheinlich je einer Tür an beiden Enden.

Die bewohnbare Fläche betrug bei den Peterbühl-Häusern in Haus S und D/T jeweils 31 m², in Haus R und in Haus Q 18 m². Aussagen zur Grundfläche von Haus A, das ja abgetragen und überbaut worden ist, bleiben vage und spekulativ. Die Grundrissform ist, das zeigen planimetrische Erhebungen, quadratisch bis mäßig rechteckig.

Die typisch rätische Konstruktionsweise der Wände konnte von G. B. Frescura, dem Technischen Leiter der Ausgrabungen am Peterbühl, an Haus S relativ klar nachvollzogen werden. Reste der dem natürlichen Verlauf der Eintiefung folgenden Trockenmauern konnten gefunden werden, an drei Mauerecken auch noch Pfostenschlitze, die an ihrer Basis jeweils eine Steinplatte aufwiesen, auf die senkrecht Pfeiler gestellt waren. In einer der Ecken in Haus S konnten verkohlte Holzteile eines Stehpfeilers sichergestellt werden, im Gebäude T/D ein verkohlter Balken mit einer Länge von 160 cm und einem Durchmesser von 15 cm, der waagrecht auf einem etwa 30 cm hohen Steinsockel auflag. Waagrecht auf den Mauervorsprüngen übereinander angebrachte Blockbohlen wurden, wie auch dieser Fund veranschaulicht, in Ständerblocktechnik mit den Stehern verzapft und bildeten auf diese Weise stabile hölzerne Außenwände. Der Innenraum war, das belegen steinerne Auflageplatten für Stehpfosten, in dieser Struktur (Haus S) in nordsüdlicher Richtung in zwei gleichgroße Räume unterteilt. Spekulativ kann hier wie auch bei den anderen Peterbühl-Häusern ein Obergeschoß angenommen werden, wie es im rätischen Haus der Spätlatènezeit in der Regel anzutreffen ist, wenn auch nicht ausgeschlossen werden kann, dass die Stehpfosten dazu gedient haben könnten, die Dachkonstruktion abzustützen - was die Innenraumteilungstheorie allerdings auch nicht ausschließen würde. Große Mengen an Brandschutt und die Lage der Brandreste lassen die Annahme eines oberen Stockwerks in Haus S jedenfalls zu.

Es wird ersichtlich, dass der aus Mauern bestehende Anteil der rätischen Häuser gering ist und eher dazu ausgelegt war, den eingetieften Wohnbereich durch an den Bruchkanten der Wohnmulde aufgesetzte Mauerzüge zu erhöhen und ein Niveau zu schaffen, auf das sich eine tragende Holzkonstruktion aufsetzen ließ. Das Mauerwerk selbst bestand auf dem Peterbühl, wenn nicht der entsprechend bearbeitete, gewachsene Felsen als Mauer diente, aus großvolumigen Bruchsteinen - in Haus A, und einmal, in Haus S, auch aus ordentlich angereihten und mit Lehm verputzten Steinen, in Gebäude R aus trockenem, unregelmäßigem Mauerwerk, während der Wandverputz aus rötlichem Lehm bestand. Das Mauerwerk in Haus T/D war im Vergleich zu den anderen Gebäuden von minderer Qualität.

Der Boden bestand im rätischen Haus üblicherweise, genauso wie hier auf dem Peterbühl, aus gestampftem Lehm (Haus A, Haus S, Haus R), der Boden in Gebäude E war aus dem blanken Felsen gearbeitet und mit Lehm ausgestrichen, der Boden in Haus Q grob eingeebnet, womöglich aber mit einem Holzboden versehen; auf dem Estrich wurde nämlich eine dicke Schicht verkohlten Holzes festgestellt.

Die Häuser waren vermutlich mit Schindel- oder Strohdächern gedeckt. Als Bauholz wurde, wo vorhanden, Lärchenholz verwendet.

Die "innere Struktur" des Häuserensembles betreffend die einzelnen Siedlungselemente wie Wohnhaus, Speicher, Stall, Brunnen ist aufgrund der in siedlungsarchäologischer Hinsicht nur rudimentär durchgeführten Sondierungen auf dem Peterbühl nicht erschließbar. Wohl wurden auf dem Südwest-Eck die weiter oben besprochenen fünf Wohngebäude lokalisiert und ans Licht gebracht, es fehlt aber jedweder Hinweis auf die für das Leben und Wirtschaften unerlässlichen funktionalen Strukturen. 

© 2021 Elmar Perkmann - elmar.perkmann@gmail.com
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